Die "Bindestrich-Falle" oder wie man mir eines meiner liebsten Stilmittel madig macht!
- stephanwaltl
- 23. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Es beginnt immer mit einem Verdacht! Ein flüchtiger Blick auf einen Text - ein unbestimmtes Gefühl. Also kopiert man den Text und lässt ihn von einer der diversen KI Detektoren (LINK) dahingehend überprüfen, ob er von einer KI oder von einem Menschen erschaffen wurde. Grundsätzlich könnte es einem ja egal sein - aber irgendwie haben wir ja alle irgendwo gehört, dass KI Texte scheinbar schlechter sind, als jene die aus der Feder eines Menschen stammen.
Ein Indikator für KI Texte ist angeblich der Bindestrich! Wenn enthalten - wird der Text unter Generalverdacht gestellt. Und jetzt sitze hier und bin entgeistert. Seit ich denken kann, liebe und missbrauche ich den Bindestrich. Es ist mein Werkzeuge für Rhythmus, für Dramatik, für einen schnellen Gedankensprung. Doch was einmal mein Markenzeichen war, ist jetzt plötzlich zum Stigma geworden.
Für mich ist ein Satz ohne Bindestriche wie eine Autobahn ohne Ausfahrten. Geradeaus, schnell, aber furchtbar monoton. Der Bindestrich – oder fachlich korrekter: der Gedankenstrich – ist für mich die Ausfahrt in eine Nebenstraße. Er erlaubt es mir, einen Gedanken einzufügen – eine Erklärung, eine Steigerung, eine schroffe Wendung. Er ist das literarische Äquivalent zu einem Augenzwinkern, einem Senken der Stimme oder einem theatralischen Pause-Machen.
Schon in meiner Schulzeit wurde ich von Lehrern und deren weiblichen Pendants darüber informiert, dass ich deren zu viele einsetze. Sie strukturieren meinen Gedankenfluss – so, wie ich ihn im Kopf habe: nicht immer linear, sondern mit Abschweifungen und Einschüben. Ein Satz mit einem gut gesetzten Bindestrich hat meiner Ansicht nach Pep – er atmet. Er unterbricht den monotonen Singsang und zwingt den Leser, kurz innezuhalten. Das war immer und ist nach wie vor mein Stil. Dann kamen die großen Sprachmodelle wie ChatGPT und Co. in unser aller Leben und mit ihnen eine Flut von KI-generierten Texten. Und siehe da: Man begann, Muster zu erkennen. Und eines der markantesten Muster - eine auffällig hohe Dichte an Bindestrichen.
Warum ist das so? Die Erklärung ist simpel: KIs sind darauf trainiert, Sprache logisch und strukturiert zu zerlegen. Ein komplexer Satz wird für sie leichter verdaulich, wenn er in kleinere, klar abgegrenzte Häppchen unterteilt ist. Der Bindestrich ist das perfekte Werkzeug dafür. Er fungiert als eine Art syntaktisches Scharnier – er verbindet Ideen, ohne die komplexen Satzgefüge von Konjunktionen wie "obwohl", "weil" oder "während" verwenden zu müssen. Für die KI ist es ein Effizienztool – ein Weg, klare, verständliche und grammatikalisch korrekte Sätze zu bauen.
Das Ergebnis ist oft ein Text, der sehr korrekt und gut lesbar ist, dem aber der ganz natürliche, manchmal auch holprige oder überraschende Fluss menschlichen Denkens fehlt. Die KI nutzt den Strich als Baustein, ich nutze ihn als Stilmittel.
Und jetzt stehe ich da. Mein persönlicher Schreibfingerabdruck – die Art, wie ich schriftliche Pause mache – passt plötzlich perfekt auf das Profil eines KI-Textes. Das ist, als würde man einen Menschen verdächtigen, ein Roboter zu sein, weil er zu deutlich artikuliert.
Soll ich meinen Stil jetzt ändern? Soll ich mich dazu zwingen, in kurzen, abgehackten oder langen, verschachtelten Sätzen ohne die erlösende Pause des Gedankenstrichs zu schreiben? Nur um mich von einer KI zu distanzieren? Das wäre, als würde ich meine Handschrift ändern, weil jemand behauptet, sie sähe aus wie gedruckt.

Nein. Die Lösung kann nicht sein, auf ein wertvolles Stilmittel zu verzichten. Die Lösung muss sein, dass wir als Leser klüger werden. Dass wir verstehen, dass der Bindestrich allein kein Beweis ist - es geht um den Kontext. Es geht um die Seele des Textes. Hat er Überraschungen? Eine persönliche Note? Eine unerwartete Metapher? Spürt man einen wirklichen Gedankenprozess – auch mit seinen Brüchen – oder nur die saubere Anordnung von Informationen?
Ich werde weiterhin meine mir liebgewonnen Bindestriche verwenden – vielleicht jetzt sogar mit einem kleinen, trotzigen Lächeln. Denn ich schreibe nicht für Maschinen, ich schreibe für Menschen!
P.S.: Laut QuillBOT ist dieser Text zu 4% von einer KI verfasst - sprich zu 96% war ich es selbst! Entscheidet selbst!




Kommentare