Eine kurze Geschichte der Annäherung
- stephanwaltl
- 3. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Aug.
Wenn wir heutzutage durch unsere Straßen schlendern, in Zugabteilen sitzen, im Strandbad sonnen (ausgenommen natürlich in den letzten 5 Wochen), im Restaurant den Nachbartisch beobachten uvm., dann sieht man dort Menschen, die nicht nach vorne schauen - sondern nach unten. In ihre Hände. Genauer: auf ihre Bildschirme. Das ist kein neues Phänomen, sondern unsere Realität und es ist nur der vorläufige Endpunkt einer erstaunlichen Entwicklung. Denn eines lehrt uns die Geschichte: Bildschirme kommen uns seit über 100 Jahren immer näher!
Kino (ab 1895) Die erste große Leinwand: groß, dunkel, gemeinschaftlich. Ein sozialer Raum. Man saß in Sesseln, blicken ehrfürchtig nach vorne – die Bilder sind fern, fast sakral.
Fernsehgerät (ab 1950) Das Wohnzimmer wird zur Bühne. Die Leinwand schrumpft, bleibt aber ein Möbelstück. Familie sitzt im Halbkreis. Noch immer sind Distanz und Ritual Teil des Konsums. Denken wir an die großen Samstag-Abendshows unserer Jugend, die die gesamte Familie vor den Bildschirm vereint. Zudem wird der fernseher zur Spielkonsole.
Computer (ab 1980) Der Bildschirm wandert an den Schreibtisch. Interaktion kommt hinzu. Der Mensch arbeitet mit dem Bildschirm, nicht nur für ihn. Nähe wird zur Notwendigkeit.
Laptop (ab 2000) Mobilität hält Einzug. Der Bildschirm klappt sich auf – und kommt uns auf dem Sofa, im Café oder im Zug bereits ein Stück näher.
Smartphone (ab 2007) Jetzt wird’s persönlich. Der Bildschirm landet in unserer Hosentasche. Immer dabei. Immer griffbereit. Nur noch eine Hand breit vom Gesicht entfernt.
Smart Glasses (ab 2020) Der Bildschirm zieht vor die Augen. Wir blicken durch ihn hindurch, er mischt sich mit der Realität. Information überlagert Wahrnehmung.
Smart Lenses (in Entwicklung) Die Linse im Auge. Keine Geräte mehr, keine Distanz. Der Bildschirm ist Teil des Sehens selbst.
Und was kommt dann? Man geht davon aus, es werden Gehirn-Implantate sein - quasi die letzte Grenze, dann wird der Bildschirm zum Interface im Kopf. Kein Außen mehr. Nur noch Innen.

Doch was heißt das für uns?
Nähe = Kontrolle? Je näher der Bildschirm, desto größer der Einfluss. Wer die Displays kontrolliert, kontrolliert Aufmerksamkeit und damit Verhalten.
Privatheit = Illusion? Der Bildschirm ist heute nicht mehr öffentlich. Er ist persönlich, individuell, direkt. Doch je persönlicher, desto manipulierbarer.
Technik = Erweiterung oder Einschränkung? Ist das Implantat die ultimative Befreiung oder der größte Kontrollverlust? Wo endet der Bildschirm, wo beginnt der Mensch?
Wir leben in einer Welt, in der die Grenze zwischen Mensch und Maschine zunehmend verschwimmt. Schon heute scheint es, als ob manche Menschen mit deren Smartphones verschmolzen sind. Die Geschichte der Bildschirme ist keine Geschichte der Technik. Es ist eine Geschichte über unsere Beziehung zur Wirklichkeit. Die Frage ist nicht, wie nah der Bildschirm noch kommen kann, sondern: wie nah er uns kommen darf. Noch können wir unsere Computer ausschalten, noch gibt es einen Flugmodus. Jedoch eines ist sicher, wenn einmal ein Implantat in unserem Köper eingesetzt ist, dann wird ein "Abschalten" unmöglich!




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